1. Rückblick
Im Anschluss an den heftigen Crash Mitte Mai handelte der Bitcoin in den folgenden neun Wochen zwischen 30.000 USD und 40.000 USD seitwärts. Dabei kam es insgesamt zu drei Tests der kritische Unterstützungszone zwischen 28.500 USD und 30.000 USD. Als die Bitcoin-Preise am 21.Juli zum dritten Mal unter die psychologische Marke von 30.000 USD fielen, erreichte die Panik und Angst im Sektor ein neues Extrem. Kursziele von unter 20.000 USD, ja sogar unter 10.000 USD, machten überall die Runde und der endgültige Zusammenbruch schien bereits vorprogrammiert.
Wie immer, wenn die Masse der Marktteilnehmer zu einseitig positioniert ist, passierte dann jedoch genau das Gegenteil. So macht der Bitcoin bei 29.300 USD eine radikale Kehrtwende und zog gnadenlos bis auf zuletzt 46.600 USD innerhalb von nur 21 Handelstagen nach oben. Offensichtlich waren zwischen Mitte Mai und Mitte Juli in die dahinsiechenden Kurse zu viele Leerverkaufspositionen eröffnet worden. Diese gerieten in kürzester Zeit aufgrund der schnell steigenden Bitcoin-Kurse unter Wasser und befeuerten einen sensationellen Short-Squeeze. Dabei gelang dem Bitcoin das Kunststück die zwei Monate währende Handelszone innerhalb von nur 10 Handelstagen von unten nach oben zu überrollen.
Bislang konnte keine Widerstandszone oder eines der typischen Retracement-Levels diese Short-Covering Rally stoppen. Vielmehr scheinen die runde Marke von 50.000 USD sowie die offene Kurslücke (Gap) im Bitcoin-Future im Bereich von 46.650 bis 49.100 die Kurse magnetisch anzuziehen.
Einmal mehr unterstreicht der Bitcoin damit sein Überraschungspotenzial. Während vor allem institutionelle Investoren und Krypto-Wale neue Rekordsummen in die Krypto-Märkte pumpen, hat die chinesische Regierung mit ihren harten Regulierungsmaßnahmen nahezu alle Bitcoin-Miner im Reich der Mitte zerstört. Weil China aber ca. 75% der Rechenleistung im Bitcoin-Netzwerk ausgemacht hatte, ist so ein starker Konkurrent von einem auf den anderen Tag weggefallen. Dadurch ist das Bitcoin-Mining erheblich einfacher und profitabler geworden.
Vor allem aber hat das Bitcoin-Netzwerk eine komplette Stilllegung in einer bestimmten geografischen Region, die mehr als 50% des Netzwerkes ausmachte, problemlos überstanden. Die aufstrebenden Bitcoin-Miner in Nordamerika reiben sich bereits die Hände, während der Bitcoin eine weitere Attacke problemlos überstanden hat und damit noch stärker geworden ist.
2. Chartanalyse Bitcoin in US-Dollar
Bitcoin in USD, Wochenchart vom 12.August 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Wochenchart ist der übergeordnete Aufwärtstrend weiterhin intakt. Erst ein Wochenschlusskurs unterhalb von 28.500 USD würde eine Trendumkehr besiegeln. Gleichzeitig läuft der Bitcoin im Grunde genommen seit Jahresanfang zwischen grob gesprochen 30.000 USD und 60.000 USD seitwärts. Positiv ist das neue Kaufsignal bei der Stochastik, die bis zur überkauften Zone noch jede Menge Platz hätte. Die zweimonatige Korrektur hat also ganze Arbeit geleistet und den heiß gelaufenen Wochenchart grundsätzlich bereinigt. Auf der Oberseite benötigen die Bullen ein neues Allzeithoch sowie einen klaren und nachhaltigen Wochenschlusskurs oberhalb von 65.000 USD, um wieder Herr im Haus zu sein. Auf der Unterseite hingegen bräuchten die Bären ein neues Tief unterhalb von 28.500 USD. Beide Marken sind vom aktuellen Kursgeschehen jeweils über 15.000 USD weit entfernt, so dass die Marktteilnehmer in den kommenden Monaten durchaus ohne wirklich klare Erkenntnisse in der Luft hängen könnten.
Insgesamt läuft der Bitcoin in einer sehr großen Handelsspanne weiter seitwärts. Trotz der fulminanten Erholung in den letzten drei Wochen liegen übergeordnet noch keine klaren Signale für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends vor. Im Zweifelsfall bleibt es daher auch in den kommenden Wochen und möglicherweise Monaten bei der Seitwärtsbewegung.
Bitcoin in USD, Tageschart vom 12.August 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Tageschart konnte der Bitcoin zuletzt seine immer noch steigende 200-Tagelinie (45.179 USD) zurückerobern. Typischerweise konsolidieren die Kurse nun um diesen vielbeachteten Durchschnitt. Gleichzeitig hat der Stochastik Oszillator den Aufwärtstrend festgezurrt, wodurch die Bullen den Markt kurzfristig ganz klar unter ihrer Kontrolle haben. Verkaufssignale liegen bislang nicht vor. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass der Short Squeeze noch bis zum 61,8%-Retracement der Abwärtswelle weiter gehen wird. Damit wird ein Kursanstieg bis in den Bereich um 51.000 USD möglich. Zusammen mit dem offenen Gap im Bitcoin-Future (46.650 USD bis 49.100 USD) dürfte allerspätestens im Bereich zwischen 49.000 USD und 51.000 USD ein betonharter Widerstand auf die Bullen warten.
Zusammengefasst ist der Tageschart bullisch und befindet sich seit gut drei Wochen in einem klaren Aufwärtstrend. Das ideale Kursziel im Bereich um 51.000 USD wurde noch nicht erreicht. Kurzfristig könnte sich die Konsolidierung um die 200-Tagelinie noch einige Tage hinziehen. Im Anschluss wäre aber mit der Fortsetzung der Rally und damit nochmals höheren Kursen bis in den Bereich zwischen 49.000 und 51.000 USD zu rechnen.
3. Sentiment Bitcoin
Crypto Fear & Greed Index vom 11.08.2021. Quelle: Crypto Fear & Greed Index
Nach der extremen Panik im Juli hat sich das Sentiment aufgrund der deutlich gestiegenen Preise in den letzten drei Wochen nicht nur deutlich erholt, sondern fast schon ins Gegenteil gedreht. Dementsprechend meldet der Crypto Fear & Greed Index aktuell eine leicht übertriebene Euphorie bzw. Gier. Es liegt derzeit allerdings noch kein Extremwert vor, womit das Sentiment auch noch kein antizyklisches Verkaufssignal liefert.
Crypto Fear & Greed Index langfristig vom 11.08.2021. Quelle: Sentimentrader
Im langfristigen Vergleich hätte die Stimmung noch etwas Platz nach oben. Allerdings steht die Sentiment Ampel mittlerweile schon wieder auf orange.
Insgesamt liefert die quantitative Sentiment-Analyse ein Warn-Signal. Man sollte den schnell gestiegenen Bitcoin-Kursen aktuell auf gar keinen Fall mehr hinterherlaufen.
4. Saisonalität Bitcoin
Bitcoin Saisonalität. Quelle: Seasonax
Aus der saisonalen Perspektive sind die kommenden zwei bis drei Monate nicht günstig für den Bitcoin. Erst ab Mitte bzw. Ende Oktober setzten sich in der Vergangenheit die bullischen Marktkräfte nachhaltig durch. Kurzfristig hätte der Bitcoin allerdings noch bis zum 17.August eine leichte Aufwärtstendenz im Rücken.
In der Konklusion mahnt die Saisonalität aktuell eher zur Geduld. Erst im 4.Quartal ziehen die Preise typischerweise wieder nachhaltig und stark an.
5. Bitcoin gegen Gold
Bitcoin/Gold-Ratio vom 12.August 2021. Quelle: Tradingview
Bei Kursen von ca. 45.175 USD für einen Bitcoin und 1.756 USD für eine Feinunze Gold liegt das Bitcoin/Gold-Ratio aktuell bei 25,7. D.h. man muss für einen Bitcoin derzeit fast 26 Unzen Gold bezahlen. Andersherum gesagt kostet eine Feinunze Gold aktuell ca. 0,039 Bitcoin. Im Vergleich zu den Höchstkursen im März und April hatte der Bitcoin zunächst über 56% gegen Gold verloren. Ab Mitte Mai konsolidiert das Bitcoin/Gold-Ratio bis Mitte Juli seitwärts. In den letzten drei Wochen hat der Bitcoin das Gold aber mal wieder dezimiert. Dies entspricht seit Jahren dem übergeordneten Trend und bislang deutet nichts auf ein Ende dieses Trends hin.
Grundsätzlich sollte man sowohl in Edelmetallen als auch in Bitcoins investiert sein. D.h. mindestens 10% und besser 25% seines Gesamtvermögens sollte man in physische Edelmetalle anlegen, während man in Kryptos und vor allem im Bitcoin zunächst wenigstens 1% bis 5% halten sollte. Wer sich mit den Kryptowährungen und Bitcoin sehr gut auskennt und das Potenzial erkannt hat, kann individuell sicherlich bei größeren Rücksetzern auch deutlich höhere Prozentzahlen in Bitcoin allokieren. Für den normalen Anleger, der natürlich vor allem in Aktien und Immobilien investiert ist, sind maximal 5% im immer noch spekulativen und vor allem hochvolatilen Bitcoin aber ein guter Richtwert.
6. Makro-Update und Crack-Up-Boom
© Holger Zschaepitz via Twitter am 23.Juli 2021
Wenn man den Blick auf die fundamentalen Daten und die Macro-Analyse wendet, bleiben die Bilanzausweitungen der Notenbanken das mit Abstand allerwichtigste Puzzleteil. So ist die Bilanzsumme der amerikanischen Notenbank FED in der vorletzten Woche um weitere 39 Mrd. USD angestiegen und hat damit ein neues Allzeithoch von 8.240,5 Mrd. USD erreicht. Dies entspricht etwa 37 % des Bruttoinlandsproduktes der USA.
© Holger Zschaepitz via Twitter am 10.August 2021
Die EZB hingegen hatte in diesem Zeitraum offenbar ein kleines Kaffeepäuschen an der Druckerpresse eingelegt, denn die Bilanzsumme der europäischen Notenbank verharrte zunächst knapp unter der 8 Billionen EUR Marke. Vermutlich wurden aufgrund der Sommerpause in der letzten Juliwoche einfach deutlich weniger Anleihen aufgekauft, so das die Gesamtsumme mit 7.987,3 Mrd. EUR fast unverändert blieb.
Aber schon in der ersten Augustwoche gab Madame Lagarde wieder richtig Vollgas, so dass die EZB-Bilanzsumme am 6. August erstmals die Marke von 8.000 Mrd. EUR Marke überschritt. Die Gesamtaktiva stiegen innerhalb von nur einer Woche um 22,3 Mrd. EUR auf ein neues Allzeithoch in Höhe von 8.009,7 Mrd. EUR an. Die Gesamtaktiva entsprechen nun etwas mehr als 78 % des BIP der Eurozone. Insgesamt ist die Bilanzsumme der EZB seit Jahresbeginn um gut 14% angewachsen.
© True Insights via Twitter am 11.August 2021 Zschaepitz
Die Konsequenz aus dieser weltweit unverantwortlichen Notenbankpolitik ist ein zunehmender Inflationsdruck, der sich ebenfalls weltweit bemerkbar macht. In den USA stieg das offizielle Preisniveau im Juli um 5,4% und damit den 14.Monat in Folge deutlich an. Vor allem die bekannten Faktoren wie Energie, Transport, Nahrung und steigende Neuwagenpreise waren für den Anstieg verantwortlich. Damit treibt die massenpsychologische Angstspirale die Inflation weiter an.
© Holger Zschaepitz via Twitter am 29.Juli 2021
In Deutschland zogen die Erzeugerpreise im Juni sogar um 8,5% an. Und im Juli stiegen die Verbraucherpreise um 3,8%. Dies ist der höchste Wert seit dem Wiedervereinigungsboom im Jahr 1993. Gleichzeitig behält die EZB ihren Leitzins aber bei 0%. 1993 hingegen definierte die Deutsche Bundesbank den Leitzins noch bei 6%. Die Sparer werden dank der EZB also immer schneller enteignet. Trotz Strafzinsen und Kaufkraftverlust türmen sich aber trotzdem immer mehr Privatkundeneinlagen bei deutschen Banken auf. Über 2,6 Bio. Euro warten hier an der Seitenlinie. Dieses Geld wird früher oder später in die Finanzmärkte stürmen. Bleibt zu hoffen, dass dieses „stupid german money“ nicht wieder viel zu spät zur laufenden Crack-Up-Boom Party kommt.
© Holger Zschaepitz via Twitter am 3.August 2021
Schon jetzt hat dieses ängstliche Geld gewaltige Kursgewinne an den Aktien-, Immobilien, Rohstoff- und Kryptomärkten verpasst. Gerade erst hat der NASDAQ 100 ein neues Allzeithoch erreicht. Trotz langem Bullenmarkt ist aufgrund der Bilanzausweitungen eine nachhaltige Trendwende weiterhin nicht absehbar. Die frisch gedruckten Währungen drücken einfach alle Preise weiter nach oben. Allein seit Januar 2020 hat die Marktkapitalisierung der weltweiten Aktienmärkte um über 28 Bio. USD zugelegt.
© Holger Zschaepitz via Twitter am 25.Juli 2021
Und in Deutschland beschleunigt sich der Immobilienboom. Hier steigt der Europace-Hauspreisindex im Gleichschritt mit der EZB-Bilanz schon seit Jahren auf immer neue Höchststände. Allein im Jahresvergleich ist der deutsche Hauspreisindex getrieben durch die Angst vor steigender Inflation und steigenden Mieten bereits um 8,7 % angestiegen.
7. Fazit: Der Short Squeeze hätte noch etwas Luft
© Dan Tapiero via Twitter am 31.Juli 2021
Trotz der heftigen Korrektur im Juni und der zähen Seitwärts-Konsolidierung im Juli hat sich der globale Kryptowährungsmarkt in den letzten sechs Monaten mehr als verdoppelt! Die Zahl der Krypto-Benutzer könnte eine Milliarde Menschen bis 2023 erreichen. Das Metcalfesches Gesetz deutet mittel- bis langfristig auf sehr viel höhere Bitcoin Preise im exponentiellen Zeitalter hin. Dabei werden digitales Eigentum bzw. digitale Vermögenswerte immer wichtiger.
Bitcoin-Future offene Kurslücken vom 12.August 2021. Quelle: Tradingview
Angesichts der schon wieder leicht überhitzen technischen Lage sowie den warnenden Signalen seitens der Sentiment-Analyse ist aktuell nicht der Zeitpunkt, der Rally im Krypto-Sektor hinterherzulaufen. Eher empfiehlt sich ein Abbau der Positionen in die Stärke hinein, denn der Bitcoin steht knapp unterhalb einer starken Widerstandszone.
Auf Sicht der nächsten ein bis drei Wochen hätte der laufende Short Squeeze noch etwas Luft nach oben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bitcoin direkt über das 61,8%-Retracement ausbricht, ist allerdings extrem klein. Sobald das Gap im Bitcoin-Future geschlossen wurde, ist vielmehr eine deutliche Reaktion der Bären zu erwarten. Aktuell ist zudem noch nicht klar, ob es sich bei der laufenden Rally nur um eine scharfe Erholung innerhalb eines Bärenmarktes handelt oder ob die übergeordnete Aufwärtsbewegung weiter geht. Es empfiehlt sich höchste Vorsicht und ein Abbau der Risikopositionen.
Florian Grummes
Edelmetall- und Krypto-Experte