1. Rückblick
In den letzten zwei Wochen kam es am Goldmarkt zu zwei Attacken auf den Tiefpunkt vom 28.September bei 1.614 USD. Sowohl am 21.Oktober als auch am 3.November drehte der Goldpreis jedoch bei 1.617 USD wieder nach oben, so dass den Bären bislang kein neues Tief gelang. Trotz der US-Dollarstärke, den mittlerweile positiven US-Realzinsen sowie einer weiterhin sehr restriktiven US-Geldpolitik kommen die Bären am Goldmarkt auf der Unterseite also nicht wirklich bzw. nur sehr zäh voran. Stattdessen gelingen dem völlig überverkauften Goldpreis immer wieder zumindest vorübergehende Erholungen bzw. scharfe Gegenbewegungen.
Gold in US-Dollar, Monatschart vom 4. November 2022. Quelle: Tradingview
Natürlich wird die Unterstützung um 1.615 USD mit jedem Angriff durchlässiger und brüchiger. Gleichzeitig korrigiert der Goldpreis seit dem Hochpunkt vom 8.März bei 2.070 USD mittlerweile seit acht Monaten am Stück, wodurch auf dem Monatschart sieben rote Kerze hintereinander zu finden sind. Das ist eine einmalige Verlustserie in der Geschichte des modernen Goldhandels.
Noch hat sich an der bärischen Ausgangslage an den internationalen Finanzmärkten nichts geändert. Der weiterhin starke US-Dollar setzt in Verbindung mit den steigenden US-Zinsen alle Anlageklassen unter Druck und lässt die Liquidität schwinden. Es ist ein Teufelskreis, der sich wohl so lange fortsetzen wird, bis die Kreditmärkte komplett einfrieren und die US-Notenbank dann zu einem radikalen Richtungswechsel gezwungen sein wird.
Trotzdem können sich die Finanzmärkte seit Ende September bzw. Mitte Oktober doch stabilisieren und bemühen sich derzeit um eine Fortsetzung der Erholung.
2. Chartanalyse Gold in US-Dollar
2.1 Wochenchart: Deutlich überverkauft
Gold in US-Dollar, Wochenchart vom 4. November 2022. Quelle: Tradingview
Seit Mitte September handelt der Goldpreis primär zwischen 1.680 USD und 1.615 USD. Auf dem Wochenchart wurde mit dieser Seitwärtskonsolidierung der langfristige Aufwärtstrend unterschritten. Ein weiterer Kursrutsch wurde dadurch jedoch nicht ausgelöst. Gleichzeitig ist der Stochastik-Oszillator klar überverkauft und wartet mit ersten positiven Divergenzen auf. Damit deutet sich langsam, aber sicher ein Bodenbildungsprozess an.
Sollte jedoch die Unterstützung um 1.615 USD klar gebrochen werden, sind diese Überlegungen hinfällig und Gold dürfte wohl noch bis zur nächsten Unterstützungszone zwischen 1.550 USD und 1.575 USD durchgereicht werden.
Insgesamt ist der Wochenchart zunehmend neutral und lässt damit die Chance auf eine voranschreitende Bodenbildung in den nächsten Wochen zu. Bullisch wird es aber erst oberhalb von 1.680 USD und insbesondere oberhalb von 1.730 USD. Dann eröffnet sich die Chance auf eine Erholungsrally bis zum oberen Bollinger Band (1.830 USD).
2.2 Tageschart: Unterstützung um 1.615 USD hält zum 3.Mal
Gold in US-Dollar, Tageschart vom 4. November 2022. Quelle: Tradingview
Auf dem Tageschart können die Goldbullen zum dritten Mal die Marke um 1.615 USD verteidigen und der Goldpreis prallt erneut scharf nach oben ab. Die Stochastik hat zudem ein aktives Kaufsignal. Das obere Bollinger Band (1.679 USD) ist jedoch zusammen mit der Widerstandszone um 1.680 USD eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Daher könnte es bis Mitte Dezember durchaus einige Anläufe benötigen, bevor der Goldpreis aus seiner vermuteten Bodenbildungszone nach oben ausbrechen könnte. Im Anschluss wäre bis zum Frühling eine Rally bis zur fallenden 200-Tagelinie (1.805 USD) zu erwarten.
Unterhalb von 1.615 USD greift hingegen das bärische Alternativ-Szenario, welches jedoch momentan eine geringere Wahrscheinlichkeit besitzt. Die Bären müssten das untere Bollinger Band (1.622 USD) nach unten aufbiegen und nochmals deutlichen Verkaufsdruck entfachen. Im aktuellen Umfeld ist das zwar nicht unmöglich, die Zeit spielt jetzt aber gegen die Goldbären.
Summa summarum nehmen die positiven Signale zu und Gold sollte sich in den kommenden Wochen zumindest weiter stabilisieren können. Ein deutlicher Ausbruch nach oben ist dabei allerdings (noch) nicht das präferierte Szenario. Vielmehr wäre eine trickreiche und undurchsichtige Bodenbildung bis Mitte Dezember typisch. Angesichts der acht Monate währenden Korrektur wäre aber auch eine direkte und scharfe Erholung bis auf ca. 1.800 USD nicht unmöglich.
3. Terminmarktstruktur Gold
Commitments of Traders Report für den Gold-Future vom 04. November 2022. Quelle: Sentimenttrader
Laut des aktuellen CoT-Reports betrug die Netto-Shortposition der kommerziellen Marktteilnehmer am 25.Oktober kumuliert 80.213 leerverkaufte Kontrakte. Unterhalb von 100.000 leerverkauften Kontrakten kann man von einem nachhaltig bullischen CoT-Report sprechen.
Zusammengefasst ist der CoT-Report als bullisch einzustufen.
4. Sentiment Gold
Sentiment Optix für Gold vom 04. November 2022. Quelle: Sentimenttrader
Die Sentiment-Analyse zeigt weiterhin, dass ein Großteil der Marktteilnehmer gegenüber dem Gold aktuell extrem pessimistisch eingestellt ist. Tatsächlich ist die Stimmung so schlecht wie beim letzten großen Tiefpunkt im August 2018. Damals konnte der Goldpreis im Anschluss vom Tief bei 1.160 USD in gerade einmal zwei Jahren um fast 79% bis auf 2.075 USD zulegen. Mittel- und vor allem langfristig legt dieses ausgebombte Sentiment also den Grundstein für den nächsten fulminanten Goldpreisanstieg.
Insgesamt steht die Sentiment-Ampel auf Grün und liefert ein starkes antizyklisches Kaufsignal!
5. Saisonalität Gold
Saisonalität für den Goldpreis über die letzten 54 Jahre. Stand 04. November 2022. Quelle: Sentimenttrader
Aus der saisonalen Perspektive fehlen dem Goldpreis noch rund fünf Wochen bis zum typischen Trendwende-Zeitpunkt kurz vor dem Jahreswechsel. In 90% der Fälle begann ab Mitte Dezember, im Umfeld des letzten FOMC-Meetings eines Jahres, eine deutliche Aufwärtsbewegung. Diese Rally katapultierte den Goldpreis meist bis in den Februar und März hinein ein gutes Stück höher.
Erst mit dem US-Zinsentscheid am 14.Dezember wäre saisonal betrachtet die aktuelle Negativ-Phase also überstanden, und der Goldpreis sollte statistisch betrachtet bis dahin seitwärts bzw. tiefer handeln.
Zusammengefasst ist die Saisonalität für die Gold- und Silbermärkte derzeit noch negativ, Ab Mitte Dezember liefert dieser Analysebaustein jedoch ein eindeutiges und klares Kaufsignal.
6. Makro-Update – Goldnachfrage der Zentralbanken auf 55-Jahres-Hoch
Dow Industrials/S&P 500-Ratio vom 01. November 2022. Quelle: Sentimenttrader
Obwohl der letzte FED-Zinsentscheid mit einer Erhöhung von 0,75% wie erwartet ausfiel, sorgten die anschließenden Kommentare von Jerome Powell für einen erneuten Abverkauf an den Märkten. Zuvor hatten sich vor allem die Aktienmärkte und insbesondere der Dow Jones, über mehrere Wochen hinweg deutlich erholen können. Powell macht in der Pressekonferenz jedoch klar, dass eine Änderung der restriktiven Geldpolitik nicht geplant sei, sondern man vielmehr mit voller Härte weitermachen will.
Der Goldpreis quittierte diese Aussagen mit einem Sturz von 1.668 USD bis auf 1.617 USD innerhalb von nicht ganz 17 Stunden. Am Freitagmittag notiert die Feinunze aber bereits deutlich oberhalb von 1.660 USD. Und auch die Aktienmärkte zeigen sich stark erholt. Die Volatilität bleibt damit also hoch und wilde Ausschläge in beide Richtungen sind an der Tagesordnung. Allerdings scheinen die Märkte die Aussagen von Präsident Powell mit zwei Tagen Abstand mittlerweile etwas anders zu deuten.
Die angelaufene Erholung an den Aktienmärkten dürfte aber vor allem durch die stark überverkaufte Lage im Oktober zusammen mit dem ausgebombten Sentiment und insbesondere den extrem hohen Shortwetten getrieben sein. Dieser Prozess (Short Squeeze) scheint noch nicht zu Ende und könnte weitere Überraschungen auf der Oberseite bringen.
Goldnachfrage durch Zentralbanken, vom 1.November 20222. Quelle: Bloomberg
Am Goldmarkt gibt es hingegen eine interessante und wichtige Beobachtung. So haben die Notenbanken im dritten Quartal fast 400 Tonnen Gold aufgekauft. Dies entspricht mehr als dem Vierfachen der Vorjahresmenge. Damit ist die gesamte von Zentralbanken nachgefragte Menge an Gold in diesem Jahr so hoch wie seit 1967 nicht mehr.
Offensichtlich riechen die Brandstifter in den internationalen Notenbanken das nahende Feuer schon vor allen anderen und decken sich mit Gold ein. Als die US-Märkte das letzte Mal in einer derart prekären Situation waren (1933 und 1971) kam es innerhalb von 24 Monaten zu einer dramatischen Neubewertung des Goldpreises. Dies könnte erklären, warum der Goldpreis in diesem schwierigen Umfeld nicht deutlich stärker eingebrochen ist und sich um 1.620 USD immer wieder fangen konnte.
Insgesamt hat sich an der negativen Ausgangslage an den internationalen Finanzmärkten allerdings nichts geändert. Der größten Blase aller Zeiten entweicht langsam und schmerzvoll die heiße Luft. Wie lange die US-Notenbank ihre aggressive Geldpolitik so durchziehen kann, steht dabei in den Sternen. Wir vermuten aber weiterhin, dass es noch im ersten Halbjahr 2023 zu einer Umkehr und ruckartigen Zinssenkungen sowie massiven Liquiditätsmaßnahmen kommen wird. Eine stärkere Erholung bis zum Jahresende könnte das Ganze aber auch bis ins zweite Halbjahr verschieben.
7. Fazit: Gold – Bodenbildung schreitet voran
Kurz vor Wochenschluss kommt der Goldpreis wieder deutlich auf die Beine. Die Widerstandskraft in den letzten Wochen im Bereich um 1.615 USD bis 1.620 USD ist beachtlich und großen institutionellen Anlegern (Zentralbanken) geschuldet. Damit könnte sich der Goldpreis seit Ende September bereits in einer Bodenbildungsphase befinden, die sich im schlechtesten Fall noch bis Mitte Dezember hinzieht. Alternativ triggert der schwächere US-Dollar in diesen Tagen einen Short-Squeeze am Goldmarkt, der schon in Kürze für ein Wiedersehen mit der Marke von 1.800 USD sorgen könnte.
Mittel- und vor allem langfristig ist der Goldmarkt auf der Suche nach seinem typischen 8-Jahres-Tief, welches irgendwann zwischen dem Dezember 2022 und dem Dezember 2023 fällig wäre. Mit etwas Glück gelingt diese große Trendwende schon bis Mitte Dezember. Dann stünde 2023 der Beginn der nächsten große Aufwärtswelle am Goldmarkt an.